Expedition 1: Wahrnehmen, Motiv, Veränderung
WahrNehmen
Termin: 8. Mai 2014, 18-21:30 Uhr
Moderation: Otmar Potjans
Die erste Expedition führte ins Reich des WahrNehmens. Gebiete, die während dieser Expedition erforscht wurden: Z-Prozess, Ästhetik und Wahrnehmung, gestern, heute, morgen.
Bewusst ohne eine Vorstellungsrunde an den Anfang zu stellen, fasste Otmar Potjans nach einer kurzen Begrüßung einleitend den ästhetischen Prozess zusammen, wie er von der Zentrifuge im Rahmen des Projekts „Forschende Kunst“ entwickelt wurde. Bei diesem Prozess wird der Rahmen für einen kreativen Freiraum geschaffen, bei dem sich die Beteiligten möglichst vorbehaltlos austauschen können und sich ihrer individuellen wie sozialen Möglichkeiten und Wahrnehmungen bewusst werden. Zentrale Elemente dieses Prozesses sind Ziellosigkeit und Ästhetik. Ziellosigkeit bedeutet, dass zu Beginn des Prozesses und über einen längeren Zeitraum keine Ziele formuliert werden, da diese durch konkrete Vorgaben den Denk- und Wahrnehmungsraum nur einschränken statt bereichern würden. Die Ästhetik wird im Sinne der Wahrnehmung verstanden, also eine gegenwärtige Achtsamkeit einzuüben, mit möglichst wachen Sinnen durch diesen Prozess zu gehen und auf die Qualitäten der Wahrnehmungen zu achten. Fühlen und Denken kommen dabei auf elementare Weise zusammen.
Der ästhetische Prozess, wie er in der Zentrifuge gepflegt wird – kurz: Z-Prozess – setzt somit vorrangig auf Erkenntnisorientierung … erst zum Ende hin kommt dann womöglich noch Zielorientierung ins Spiel, da ja aus den Workshops heraus auch Wirkungen entfaltet werden sollen …. aber nicht müssen. Der Z-Prozess führt somit über mehrere Phasen von einem - bildlich gesprochen – gasförmigen zu einem zunehmend verdichteten Zustand. Erst am Ende stellt sich zumindest theoretisch die Frage: Wie komme ich ins Handeln?
Im Anschluss an die Einführung bekam jeder der Teilnehmer ein ungekochtes Ei ausgehändigt, auf das er einen Begriff schreiben sollte, mit dem er seine Erwartung an diesen Workshop festhalten sollte. Jedes beschriebene Ei waren quasi eine symbolisch aufgeladene persönliche Erwartungs-Manifestation, die jeden Teilnehmer mit „seinem“ Begriff durch diesen Abend begleitete. Später konnten die Eier mit nach Hause genommen und verzehrt werden. Nach dem Beschriften der rohen Eier und der damit verbundenen Besinnung auf individuelle Erwartungen wurden die Teilnehmer in Zweiergruppen aufgeteilt. Die Aufgabe war nun, sich an seine erste ästhetische Erfahrung zu erinnern und sich darüber mit dem jeweiligen Gesprächspartner auszutauschen. Danach wurden im Podium diese Gespräche zusammen gefasst und diskutiert. Es zeigte sich deutlich ein großes Spektrum, was unter einer ersten ästhetischen Erfahrung überhaupt zu verstehen sei. Es waren durchweg Kindheitserinnerungen, die den Teilnehmern in den Sinn kamen – von Erlebnissen in der Natur über kulturelle Veranstaltungen (Feuerwerk, Konzert) bis hin zu Erfahrungen mit Objekten und Selbstwahrnehmungen (Genuss beim Essen / davon fliegender Luftballon und Gefühl von Unendlichkeit). Durchweg waren es sinnliche Erfahrungen, es zeigten sich unterschiedliche Sinnestypen. Manche Teilnehmer erinnerten stärker visuelle Wahrnehmungen, manche auditive, olfaktorische, kinetische oder haptische … nie war jedoch ein Sinn alleine im Spiel – durchweg standen die Wahrnehmungen in Kombination zueinander und beinhalteten einen elementaren Bewusstseinsaspekt: Durch das Staunen über eine sinnlich wahrgenommene Situation oder ein gespürtes Ereignis wird die wahrnehmende Person Teil eines größeren Zusammenhangs, der sich über die Sinne erschließt und über das Bewusstsein als (über-)persönliches Erlebnis Bedeutung erlangt. Beim Reflektieren dieser ersten ästhetischen Erfahrungen wurde festgestellt, dass der Begriff der Ästhetik noch weiterer differenzierender Klärungen bedürfte, was im Rahmen dieser Expedition nicht zu leisten ist. Alle Teilnehmer teilten die Ansicht, dass ästhetisches Erleben mehr ist als bloßes Fühlen von etwas Besonderem.
Es vermittelt auch Aspekte wie „Teilen“, „Gemeinschaft“, „Tiefe“, „Bedeutung“, „Unendlichkeit“ oder „Transzendenz“. Soziale, geistige, wenn nicht gar spirituelle Dimensionen scheinen hier auf. Öfters war von „Magie“ und von „Wünschen“ die Rede – das Bezaubert-Sein von der Welt, von der wir ein Teil sind und die sich uns als spürbares, bedeutungsoffenes und uns ansprechendes Geschehen schenkt.
Der Abend klang mit zwei Assoziationsspielen aus: Zuerst präsentierte Otmar Potjans eine zufällig erscheinende Zahlenfolge, die keiner mathematischen Ordnung folgt. Die Ordnung der Zahlen ergab sich aus einer alphabetischen Zuweisung, d.h. die Zahlen waren lediglich anhand der Anfangsbuchstaben ihrer englischen Begriffe sortiert. Verstehen als kultureller Prozess.
Danach legte Otmar Potjans ein Ei auf den Boden und hintereinander verschiedene Gegenstände daneben: einen Hammer, Stifte, Federn etc.. Die verschiedenen Kombinationen lösten Vorstellungen, Erinnerungen, Assoziationen aus – auch dies eine ästhetische Erfahrung, die unsere Aufmerksamkeit auf die Arbeitsweise unseres Erkenntnisapparats lenkte. Wer oder was wir sind, wenn wir wahrnehmen und denken, ist ein Mysterium. Sich diese(r) Frage zu stellen, bedeutet die Annäherung an ein Bewusstseinsfeld, das weit über uns hinaus weist.
Motiv
Termin: 15. Mai 2014, 18-21:30 Uhr
Ort: Zentrifuge Auf AEG
Moderation: Otmar Potjans
Die zweite Expedition führte ins Reich des Motivs. Gebiete, die während dieser Expedition erforscht wurden: Entscheidung, Handlung, Ergebnis
Der Abend begann mit einer der Form nach ungewöhnlichen Rekapitulation: Die Teilnehmer wurden gebeten, ihre Erinnerungen an den ersten Workshoptag in Partnerarbeit auszutauschen: Woran erinnerten sie sich noch besonders, was beschäftigte sie seitdem und war für sie im Zusammenhang mit dem bisher Erarbeiteten relevant? Das Besondere bei dieser Partnerarbeit war, dass die Teilnehmer mit geschlossenen Augen sprechen und zuhören sollten. Das Gespräch wurde gerade durch diese sinnliche Einschränkung zu einem ästhetischen Erlebnis.
Beim anschließenden Gespräch im Podium war zuerst die Form der vorausgegangenen Partnerarbeit vorrangiges Gesprächsthema: Einige Teilnehmer irritierte, ja beängstigte es, ein Gespräch mit geschlossenen Augen zu führen. Andere wiederum empfanden diese Art des Gesprächs als Bereicherung, da es die Konzentration auf die Sprache lenkte. Allerdings wurden bei geschlossenen Augen auch die Nebengeräusche stärker wahrgenommen, was alle Teilnehmer als störend empfanden. Das Gehör bekam bei geschlossenen Augen eindeutig eine stärkere Priorität und Filterroutinen, wie sie bei funktionierendem Sehsinn eingespielt sind, werden durchbrochen. Sobald der Sehsinn ausgeblendet wird, entsteht eine Art Kontrollverlust, da die Umgebung nicht mehr „auf einen Blick“ wahrgenommen werden kann. Sich auf eine solche Situation einzulassen, erfordert Vertrauen und – bei weniger Vertrauen - auch Mut. Im Gegenzug durfte man erfahren, was Wahrnehmung mit Hingabe zu tun hat.
Inhaltlich wurde bei den Partnergesprächen häufig das Thema „Vorstellungsrunde“ angesprochen. Die meisten Teilnehmer empfanden es als irritierend, dass am ersten und auch an diesem Abend noch keine Vorstellungsrunde stattgefunden hatte. Beim Abwägen der Vor- und Nachteile kam man zu dem Schluss, dass die Vorteile doch überwiegen: Ohne Vorstellungsrunde gibt es keine Zuordnungen in Schubladen wie „Beruf“, „Hobbies“, „Herkunft“ oder „Ausbildung“. Die Begegnungen sind dadurch offener und wertfreier, was weiterhin dafür spricht, auch in Zukunft die Vorstellungsrunde auszusparen.
Darüber hinaus zeigte die Rekapitulation des bislang Geschehenen, dass die Ziellosigkeit des Z-Prozesses doch einige Unsicherheit hervorrief. Was ist zu tun, wenn das Ziel nicht klar ist? Als Kulturwesen brauchen wir doch Ziele, oder nicht? Genau solche Ambivalenzen und Unsicherheiten will der ästhetische Prozess ja gerade hervorrufen. Alles, was an Klärungsbedarf dabei entsteht, gilt es dann, anzusprechen und gemeinsam - wenn nicht zu klären, so doch wenigstens als Frage zu würdigen.
Die vermeintliche „Ziellosigkeit“ wurde im weiteren Verlauf des Gesprächs relativiert, als klar wurde, dass Ziele auch bei vorgeblicher Ziellosigkeit immer mitschwingen – und sei es nur aus der Ferne. Die „Ziellosigkeit“ ermöglicht es, scheinbar Selbstverständliches noch einmal zu bedenken und womöglich einen neuen Blick auf das Gewohnte zu werfen. Ziele lassen sich nämlich auch anders, vielleicht sogar neu sehen, wenn man den Raum in Betracht zieht, in dem sich ein Ziel befindet und sich selbst in ein anderes Verhältnis zum Ziel setzt. Das Ziel verschwimmt und wird neu konfiguriert. Vielleicht löst es sich auch ganz auf und setzt sich an anderer Stelle wieder aus gleichen, ähnlichen oder gänzlich anderen Bestandteilen zusammen.
Die bei der ersten Expedition zu kurz gekommene Frage nach der zeitlichen Dimension wurde mit den Begriffen „gestern“, „heute“ und „morgen“ bei der nun folgenden Gruppenarbeit nochmals ins Spiel gebracht. Die Teilnehmer waren aufgefordert, in drei Gruppen an bislang erarbeiten Begriffen zu arbeiten und eine Visualisierung für den Zusammenhang dieser Begriffe zu finden. War für die eine Gruppe die zeitliche Struktur als Ordnungsprinzip grundlegend, transformierte eine zweite Gruppe die Zeit in Zeitlosigkeit und die dritte Gruppe löste sich ganz von zeitlichen Betrachtungen und widmete sich der reinen Begriffsanalyse.
Der Blick wandte sich nun endgültig ab vom Ziel als scheinbarer Sicherheit und es wurde eine grundlegende Schicht aufgedeckt: Die Kraft, die uns auf ein Ziel ausrichten kann, die Welt der Motive und der Motivation. Was ist das für eine Kraft, die uns bewegt und uns auf etwas ausrichten will? Was sind unsere Motive, was motiviert uns? Das Hinterfragen unseres Tuns - in dieser getriebenen Zeit wirkt solches Fragen als Luxusproblem, dabei ist es doch das elementarste Fragen überhaupt. Mit dieser Frage sind wir beim Wertvollsten angekommen: Wir durften uns die Frage nach dem Wert und der Bedeutung unseres Tuns, mithin unserer Existenz stellen – „Urlaub vom Alltäglichen“ nannte dies eine Teilnehmerin, eine andere wünschte sich sogar ein Abonnement nach solchen gedanklichen, grundlegenden Freiräumen. Es wehte ein jugendlicher Geist: Wir durften – seit wer weiß wie lange – wieder nach einem Sinn fragen. Die Teilnehmer empfanden es fast wie ein Geschenk, solche existenziellen Fragen stellen, bedenken und besprechen zu können. Wir bekamen eine Ahnung davon, dass außerhalb der „alternativlosen“ Realitäts- und Aktivitäts-Manie noch vieles möglich ist.
Dieser kontemplativ-diskursive Abend klang aus in einem lebendigen Gedankenaustausch zu Begriffen wie Ziel, Sinn, Bedürfnis, Motiv, Motivation oder Intention. Es zeigte sich, dass Begriffe wie diese im Zuge des ästhetischen Prozesses noch weiter ausdifferenziert, zueinander in Beziehung gesetzt und geklärt werden könnten. Eine Projektidee war entstanden und begann bei einigen der Anwesenden zu gären: Ein Lexikon der zentrifugalen Begriffe.
Veränderung
Termin: 22. Mai 2014, 18-21:30 Uhr
Ort: Zentrifuge Auf AEG
Moderation: Otmar Potjans
Die dritte Expedition führte uns ins Reich der Veränderung. Gebiete, die wir erforschten: Innovation, Nachhaltigkeit, Ästhetik.
Der dritte und letzte Abend unserer „Expedition ins Reich des Wandels“ widmete sich der Vertiefung der Begriffe, Erfahrungen und Erkenntnisse, die uns bislang auf unserem Weg begegnet waren. In Einzelarbeit schrieben die Teilnehmer die Themen und Begriffe auf, die sie im weiteren Verlauf noch vertiefen und bearbeiten wollten. Dann tauschten sie sich in Gruppenarbeit über diese Begriffe aus und ergänzten und bearbeiteten sie nochmals.
Der abschließende Begriffs-Fundus war die Grundlage für die nun folgende Gruppenarbeit: In drei Gruppen wurde mit den von allen erarbeiteten Begriffen weiter gearbeitet. Jede Gruppe hatte den Auftrag, auf einem Plakat eine Visualisierung auf Basis der Begriffe zu entwickeln … alle hatten die gleiche Ausgangsbasis: einen identischen Begriffs-Fundus, dazu Schere, Stifte und Kleber. Die besondere Handlungsanweisung: Das Plakat war zu erstellen, ohne dabei miteinander zu reden. Die Visualisierungen entstanden somit nicht diskursiv, sondern kreativ-intuitiv-dynamisch.
Die Ergebnisse der drei Gruppen zeigten sehr unterschiedliche Ergebnisse und Herangehensweisen … allen gemeinsam war eine erstaunliche Ausdruckskraft, die sich aus einer überindividuellen Inspiration speiste. In der anschließende Präsentation der Ergebnisse wurde der Gruppenprozess bei der Gestaltung der Plakate nachvollzogen und die jeweilige Systematik und Form diskutiert. Es waren drei Sichtweisen auf den zentrifugalen Prozess entstanden, bei dem das Geistige mit dem Materiellen, das Abstrakte mit dem Konkreten, das Notwendige mit dem Möglichen, das Überindividuelle (Kollektive) mit dem individuellen, das Manifeste mit der Freiheit, der Wunsch mit der Wirklichkeit, die Magie mit der Entzauberung in einen prozesshaften Austausch geraten. Am Ende gab es drei Fassungen einer zentrifugalen Begriffsvermischung, die als Betriebsanleitung dienen kann für Ideenentwicklung und Veränderung. Nach wie vor bleibt offen, an welcher Stelle und in welcher Form diese methodischen, systematischen und begrifflichen Impulse in weitere Projekte einfließen.
Die abschließende Feedbackrunde zeigte, dass alle Teilnehmer unerwartete Erkenntnisse bei dieser Expedition gewonnen haben, die sie in ihre Arbeit und in ihr Leben integrieren können. Das Mindeste, was wir mitgenommen haben ist die Einsicht, dass man lernen muss, von seinen Vorbehalten und Prägungen abzusehen und gemeinsam mit anderen auf die Reise zu gehen. Eine Reise ohne Ziel, die wir mit wachen Sinnen und mit offenem Herzen erleben können. Der Z-Prozess schafft einen Freiraum, in dem diese Begegnungen, Erfahrungen und Erkenntnisse möglich werden.
Termin: 8. Mai 2014, 18-21:30 Uhr
Moderation: Otmar Potjans
Die erste Expedition führte ins Reich des WahrNehmens. Gebiete, die während dieser Expedition erforscht wurden: Z-Prozess, Ästhetik und Wahrnehmung, gestern, heute, morgen.
Bewusst ohne eine Vorstellungsrunde an den Anfang zu stellen, fasste Otmar Potjans nach einer kurzen Begrüßung einleitend den ästhetischen Prozess zusammen, wie er von der Zentrifuge im Rahmen des Projekts „Forschende Kunst“ entwickelt wurde. Bei diesem Prozess wird der Rahmen für einen kreativen Freiraum geschaffen, bei dem sich die Beteiligten möglichst vorbehaltlos austauschen können und sich ihrer individuellen wie sozialen Möglichkeiten und Wahrnehmungen bewusst werden. Zentrale Elemente dieses Prozesses sind Ziellosigkeit und Ästhetik. Ziellosigkeit bedeutet, dass zu Beginn des Prozesses und über einen längeren Zeitraum keine Ziele formuliert werden, da diese durch konkrete Vorgaben den Denk- und Wahrnehmungsraum nur einschränken statt bereichern würden. Die Ästhetik wird im Sinne der Wahrnehmung verstanden, also eine gegenwärtige Achtsamkeit einzuüben, mit möglichst wachen Sinnen durch diesen Prozess zu gehen und auf die Qualitäten der Wahrnehmungen zu achten. Fühlen und Denken kommen dabei auf elementare Weise zusammen.
Der ästhetische Prozess, wie er in der Zentrifuge gepflegt wird – kurz: Z-Prozess – setzt somit vorrangig auf Erkenntnisorientierung … erst zum Ende hin kommt dann womöglich noch Zielorientierung ins Spiel, da ja aus den Workshops heraus auch Wirkungen entfaltet werden sollen …. aber nicht müssen. Der Z-Prozess führt somit über mehrere Phasen von einem - bildlich gesprochen – gasförmigen zu einem zunehmend verdichteten Zustand. Erst am Ende stellt sich zumindest theoretisch die Frage: Wie komme ich ins Handeln?
Im Anschluss an die Einführung bekam jeder der Teilnehmer ein ungekochtes Ei ausgehändigt, auf das er einen Begriff schreiben sollte, mit dem er seine Erwartung an diesen Workshop festhalten sollte. Jedes beschriebene Ei waren quasi eine symbolisch aufgeladene persönliche Erwartungs-Manifestation, die jeden Teilnehmer mit „seinem“ Begriff durch diesen Abend begleitete. Später konnten die Eier mit nach Hause genommen und verzehrt werden. Nach dem Beschriften der rohen Eier und der damit verbundenen Besinnung auf individuelle Erwartungen wurden die Teilnehmer in Zweiergruppen aufgeteilt. Die Aufgabe war nun, sich an seine erste ästhetische Erfahrung zu erinnern und sich darüber mit dem jeweiligen Gesprächspartner auszutauschen. Danach wurden im Podium diese Gespräche zusammen gefasst und diskutiert. Es zeigte sich deutlich ein großes Spektrum, was unter einer ersten ästhetischen Erfahrung überhaupt zu verstehen sei. Es waren durchweg Kindheitserinnerungen, die den Teilnehmern in den Sinn kamen – von Erlebnissen in der Natur über kulturelle Veranstaltungen (Feuerwerk, Konzert) bis hin zu Erfahrungen mit Objekten und Selbstwahrnehmungen (Genuss beim Essen / davon fliegender Luftballon und Gefühl von Unendlichkeit). Durchweg waren es sinnliche Erfahrungen, es zeigten sich unterschiedliche Sinnestypen. Manche Teilnehmer erinnerten stärker visuelle Wahrnehmungen, manche auditive, olfaktorische, kinetische oder haptische … nie war jedoch ein Sinn alleine im Spiel – durchweg standen die Wahrnehmungen in Kombination zueinander und beinhalteten einen elementaren Bewusstseinsaspekt: Durch das Staunen über eine sinnlich wahrgenommene Situation oder ein gespürtes Ereignis wird die wahrnehmende Person Teil eines größeren Zusammenhangs, der sich über die Sinne erschließt und über das Bewusstsein als (über-)persönliches Erlebnis Bedeutung erlangt. Beim Reflektieren dieser ersten ästhetischen Erfahrungen wurde festgestellt, dass der Begriff der Ästhetik noch weiterer differenzierender Klärungen bedürfte, was im Rahmen dieser Expedition nicht zu leisten ist. Alle Teilnehmer teilten die Ansicht, dass ästhetisches Erleben mehr ist als bloßes Fühlen von etwas Besonderem.
Es vermittelt auch Aspekte wie „Teilen“, „Gemeinschaft“, „Tiefe“, „Bedeutung“, „Unendlichkeit“ oder „Transzendenz“. Soziale, geistige, wenn nicht gar spirituelle Dimensionen scheinen hier auf. Öfters war von „Magie“ und von „Wünschen“ die Rede – das Bezaubert-Sein von der Welt, von der wir ein Teil sind und die sich uns als spürbares, bedeutungsoffenes und uns ansprechendes Geschehen schenkt.
Der Abend klang mit zwei Assoziationsspielen aus: Zuerst präsentierte Otmar Potjans eine zufällig erscheinende Zahlenfolge, die keiner mathematischen Ordnung folgt. Die Ordnung der Zahlen ergab sich aus einer alphabetischen Zuweisung, d.h. die Zahlen waren lediglich anhand der Anfangsbuchstaben ihrer englischen Begriffe sortiert. Verstehen als kultureller Prozess.
Danach legte Otmar Potjans ein Ei auf den Boden und hintereinander verschiedene Gegenstände daneben: einen Hammer, Stifte, Federn etc.. Die verschiedenen Kombinationen lösten Vorstellungen, Erinnerungen, Assoziationen aus – auch dies eine ästhetische Erfahrung, die unsere Aufmerksamkeit auf die Arbeitsweise unseres Erkenntnisapparats lenkte. Wer oder was wir sind, wenn wir wahrnehmen und denken, ist ein Mysterium. Sich diese(r) Frage zu stellen, bedeutet die Annäherung an ein Bewusstseinsfeld, das weit über uns hinaus weist.
Motiv
Termin: 15. Mai 2014, 18-21:30 Uhr
Ort: Zentrifuge Auf AEG
Moderation: Otmar Potjans
Die zweite Expedition führte ins Reich des Motivs. Gebiete, die während dieser Expedition erforscht wurden: Entscheidung, Handlung, Ergebnis
Der Abend begann mit einer der Form nach ungewöhnlichen Rekapitulation: Die Teilnehmer wurden gebeten, ihre Erinnerungen an den ersten Workshoptag in Partnerarbeit auszutauschen: Woran erinnerten sie sich noch besonders, was beschäftigte sie seitdem und war für sie im Zusammenhang mit dem bisher Erarbeiteten relevant? Das Besondere bei dieser Partnerarbeit war, dass die Teilnehmer mit geschlossenen Augen sprechen und zuhören sollten. Das Gespräch wurde gerade durch diese sinnliche Einschränkung zu einem ästhetischen Erlebnis.
Beim anschließenden Gespräch im Podium war zuerst die Form der vorausgegangenen Partnerarbeit vorrangiges Gesprächsthema: Einige Teilnehmer irritierte, ja beängstigte es, ein Gespräch mit geschlossenen Augen zu führen. Andere wiederum empfanden diese Art des Gesprächs als Bereicherung, da es die Konzentration auf die Sprache lenkte. Allerdings wurden bei geschlossenen Augen auch die Nebengeräusche stärker wahrgenommen, was alle Teilnehmer als störend empfanden. Das Gehör bekam bei geschlossenen Augen eindeutig eine stärkere Priorität und Filterroutinen, wie sie bei funktionierendem Sehsinn eingespielt sind, werden durchbrochen. Sobald der Sehsinn ausgeblendet wird, entsteht eine Art Kontrollverlust, da die Umgebung nicht mehr „auf einen Blick“ wahrgenommen werden kann. Sich auf eine solche Situation einzulassen, erfordert Vertrauen und – bei weniger Vertrauen - auch Mut. Im Gegenzug durfte man erfahren, was Wahrnehmung mit Hingabe zu tun hat.
Inhaltlich wurde bei den Partnergesprächen häufig das Thema „Vorstellungsrunde“ angesprochen. Die meisten Teilnehmer empfanden es als irritierend, dass am ersten und auch an diesem Abend noch keine Vorstellungsrunde stattgefunden hatte. Beim Abwägen der Vor- und Nachteile kam man zu dem Schluss, dass die Vorteile doch überwiegen: Ohne Vorstellungsrunde gibt es keine Zuordnungen in Schubladen wie „Beruf“, „Hobbies“, „Herkunft“ oder „Ausbildung“. Die Begegnungen sind dadurch offener und wertfreier, was weiterhin dafür spricht, auch in Zukunft die Vorstellungsrunde auszusparen.
Darüber hinaus zeigte die Rekapitulation des bislang Geschehenen, dass die Ziellosigkeit des Z-Prozesses doch einige Unsicherheit hervorrief. Was ist zu tun, wenn das Ziel nicht klar ist? Als Kulturwesen brauchen wir doch Ziele, oder nicht? Genau solche Ambivalenzen und Unsicherheiten will der ästhetische Prozess ja gerade hervorrufen. Alles, was an Klärungsbedarf dabei entsteht, gilt es dann, anzusprechen und gemeinsam - wenn nicht zu klären, so doch wenigstens als Frage zu würdigen.
Die vermeintliche „Ziellosigkeit“ wurde im weiteren Verlauf des Gesprächs relativiert, als klar wurde, dass Ziele auch bei vorgeblicher Ziellosigkeit immer mitschwingen – und sei es nur aus der Ferne. Die „Ziellosigkeit“ ermöglicht es, scheinbar Selbstverständliches noch einmal zu bedenken und womöglich einen neuen Blick auf das Gewohnte zu werfen. Ziele lassen sich nämlich auch anders, vielleicht sogar neu sehen, wenn man den Raum in Betracht zieht, in dem sich ein Ziel befindet und sich selbst in ein anderes Verhältnis zum Ziel setzt. Das Ziel verschwimmt und wird neu konfiguriert. Vielleicht löst es sich auch ganz auf und setzt sich an anderer Stelle wieder aus gleichen, ähnlichen oder gänzlich anderen Bestandteilen zusammen.
Die bei der ersten Expedition zu kurz gekommene Frage nach der zeitlichen Dimension wurde mit den Begriffen „gestern“, „heute“ und „morgen“ bei der nun folgenden Gruppenarbeit nochmals ins Spiel gebracht. Die Teilnehmer waren aufgefordert, in drei Gruppen an bislang erarbeiten Begriffen zu arbeiten und eine Visualisierung für den Zusammenhang dieser Begriffe zu finden. War für die eine Gruppe die zeitliche Struktur als Ordnungsprinzip grundlegend, transformierte eine zweite Gruppe die Zeit in Zeitlosigkeit und die dritte Gruppe löste sich ganz von zeitlichen Betrachtungen und widmete sich der reinen Begriffsanalyse.
Der Blick wandte sich nun endgültig ab vom Ziel als scheinbarer Sicherheit und es wurde eine grundlegende Schicht aufgedeckt: Die Kraft, die uns auf ein Ziel ausrichten kann, die Welt der Motive und der Motivation. Was ist das für eine Kraft, die uns bewegt und uns auf etwas ausrichten will? Was sind unsere Motive, was motiviert uns? Das Hinterfragen unseres Tuns - in dieser getriebenen Zeit wirkt solches Fragen als Luxusproblem, dabei ist es doch das elementarste Fragen überhaupt. Mit dieser Frage sind wir beim Wertvollsten angekommen: Wir durften uns die Frage nach dem Wert und der Bedeutung unseres Tuns, mithin unserer Existenz stellen – „Urlaub vom Alltäglichen“ nannte dies eine Teilnehmerin, eine andere wünschte sich sogar ein Abonnement nach solchen gedanklichen, grundlegenden Freiräumen. Es wehte ein jugendlicher Geist: Wir durften – seit wer weiß wie lange – wieder nach einem Sinn fragen. Die Teilnehmer empfanden es fast wie ein Geschenk, solche existenziellen Fragen stellen, bedenken und besprechen zu können. Wir bekamen eine Ahnung davon, dass außerhalb der „alternativlosen“ Realitäts- und Aktivitäts-Manie noch vieles möglich ist.
Dieser kontemplativ-diskursive Abend klang aus in einem lebendigen Gedankenaustausch zu Begriffen wie Ziel, Sinn, Bedürfnis, Motiv, Motivation oder Intention. Es zeigte sich, dass Begriffe wie diese im Zuge des ästhetischen Prozesses noch weiter ausdifferenziert, zueinander in Beziehung gesetzt und geklärt werden könnten. Eine Projektidee war entstanden und begann bei einigen der Anwesenden zu gären: Ein Lexikon der zentrifugalen Begriffe.
Veränderung
Termin: 22. Mai 2014, 18-21:30 Uhr
Ort: Zentrifuge Auf AEG
Moderation: Otmar Potjans
Die dritte Expedition führte uns ins Reich der Veränderung. Gebiete, die wir erforschten: Innovation, Nachhaltigkeit, Ästhetik.
Der dritte und letzte Abend unserer „Expedition ins Reich des Wandels“ widmete sich der Vertiefung der Begriffe, Erfahrungen und Erkenntnisse, die uns bislang auf unserem Weg begegnet waren. In Einzelarbeit schrieben die Teilnehmer die Themen und Begriffe auf, die sie im weiteren Verlauf noch vertiefen und bearbeiten wollten. Dann tauschten sie sich in Gruppenarbeit über diese Begriffe aus und ergänzten und bearbeiteten sie nochmals.
Der abschließende Begriffs-Fundus war die Grundlage für die nun folgende Gruppenarbeit: In drei Gruppen wurde mit den von allen erarbeiteten Begriffen weiter gearbeitet. Jede Gruppe hatte den Auftrag, auf einem Plakat eine Visualisierung auf Basis der Begriffe zu entwickeln … alle hatten die gleiche Ausgangsbasis: einen identischen Begriffs-Fundus, dazu Schere, Stifte und Kleber. Die besondere Handlungsanweisung: Das Plakat war zu erstellen, ohne dabei miteinander zu reden. Die Visualisierungen entstanden somit nicht diskursiv, sondern kreativ-intuitiv-dynamisch.
Die Ergebnisse der drei Gruppen zeigten sehr unterschiedliche Ergebnisse und Herangehensweisen … allen gemeinsam war eine erstaunliche Ausdruckskraft, die sich aus einer überindividuellen Inspiration speiste. In der anschließende Präsentation der Ergebnisse wurde der Gruppenprozess bei der Gestaltung der Plakate nachvollzogen und die jeweilige Systematik und Form diskutiert. Es waren drei Sichtweisen auf den zentrifugalen Prozess entstanden, bei dem das Geistige mit dem Materiellen, das Abstrakte mit dem Konkreten, das Notwendige mit dem Möglichen, das Überindividuelle (Kollektive) mit dem individuellen, das Manifeste mit der Freiheit, der Wunsch mit der Wirklichkeit, die Magie mit der Entzauberung in einen prozesshaften Austausch geraten. Am Ende gab es drei Fassungen einer zentrifugalen Begriffsvermischung, die als Betriebsanleitung dienen kann für Ideenentwicklung und Veränderung. Nach wie vor bleibt offen, an welcher Stelle und in welcher Form diese methodischen, systematischen und begrifflichen Impulse in weitere Projekte einfließen.
Die abschließende Feedbackrunde zeigte, dass alle Teilnehmer unerwartete Erkenntnisse bei dieser Expedition gewonnen haben, die sie in ihre Arbeit und in ihr Leben integrieren können. Das Mindeste, was wir mitgenommen haben ist die Einsicht, dass man lernen muss, von seinen Vorbehalten und Prägungen abzusehen und gemeinsam mit anderen auf die Reise zu gehen. Eine Reise ohne Ziel, die wir mit wachen Sinnen und mit offenem Herzen erleben können. Der Z-Prozess schafft einen Freiraum, in dem diese Begegnungen, Erfahrungen und Erkenntnisse möglich werden.