Forschende Kunst 3 - Workshop 1
Forschende Kunst – Perspektiven des Alterns
Sa., 11. April 2015, 10-17:15 Uhr
Zentrifuge, Nürnberg
Der erste Tag diente der Annäherung an das Thema „Perspektiven des Alterns“: Was verbinden wir mit „Altern“, was bedeutet dies für uns? Welche Perspektiven eröffnen sich im Austausch über unsere Erfahrungen, unser Wissen, unsere Hoffnungen und Ängste bezüglich „Altern“?
Den Einstieg machte Moderator Otmar Potjans mit der Fragestellung: Meine erste persönliche Begegnung mit „Altern“. Dann folgte ein Impulsvortrag von Jörg Bauer zu neuesten Kenntnissen aus der Life Span Forschung, der dann ausführlich diskutiert wurde. Am Nachmittag führte Uwe Weber in die Theaterarbeit ein – von ersten Lockerungs- und Kommunikationsübungen bis hin zu Vorstellungs- und Darstellungsübungen und dem Hervorlocken schauspielerischer Momente.
Erste persönliche Begegnungen mit „Altern“
In Zweier- und Gruppenarbeit tauschten wir uns aus über erste persönliche Erfahrungen mit „Altern“ Diese Gespräche wurden dann im Podium zusammen gefasst und diskutiert. Das Spektrum der ersten Begegnung mit „Altern“ reichte von Reifungs-Erlebnissen im Übergang von der Kindheit zur Jugend und der Erfahrung von Omnipotenz mit all ihren Illusionen über die erste Erfahrung der Einschränkung von Bewegungsspielräumen bis hin zu Gefühlen gesellschaftlichen Ausgeschlossenseins und der Erörterung von Generationenunterschieden sowie zu von „Alter“ unberührter Unbekümmertheit.
Impuls
Der Vortrag von Jörg Bauer zeigte aktuelle, wissenschaftlich gestützte Thesen auf, die ein Zusammenspiel psychischer und physischer Fähigkeiten nahe legen, das wiederum relevant ist für einen neuen Blick auf den Alterungsprozess und die damit verbundene Lebenserwartung. Intuitive Einschätzungen werden durch aktuelle Studien gestützt: Ein gesundes, gelingendes Altern wird durch Haltungen und Lebensformen gefördert, die Ego-getriebene Lebensweisen hinter sich lassen und sich stärker in soziale Zusammenhänge einfügen. Auch ändern sich die Sichtweisen auf das Leben im Laufe des Alters: Krisen werden als Chancen erkannt und die Bewertung des Lebens erfährt ab der Mitte des Lebens tiefergehende Betrachtungen verbunden mit einem reifenden Bewusstsein für die Qualitäten des (eigenen) Lebens. Ein gelingendes „Altern“ akzeptiert das Gegebene, übt sich in Gelassenheit und Humor und und würdigt das Leben in seiner umfassenden Gegenwart. Wertschätzung und Dankbarkeit selbst für kleine schöne Momente transzendieren und öffnen den eng fokussierten Erwartungshorizont der Leistungsgesellschaft hin zu einer freieren, von Konventionen befreiten Sicht auf das Leben, die vom diesem nicht mehr erwartet, als sie sich auf angemessene Weise und in aller Bescheidenheit wünschen kann. Das Alter ermöglicht den Zugang zu einem freieren, der unmittelbaren Wahrnehmung und der Sinn-Erfahrung zugewandten Lebenspraxis, die – im Falle des gelungenen Alterns - auch für junge Menschen vorbildlich sein kann. Die Sicht- und Lebensweise, die man im Alterungsprozess gewinnen bzw. sich erarbeiten kann, weist auch Wege in eine alternative Gesellschaft, die Brücken zwischen den Generationen schlägt und einen Einklang mit sich und der Mitwelt herzustellen vermag. Dazu gehören das gemeinschaftliche Aufeinanderbezogen-Sein oder die selbstbestimmte und mit Erfahrungen angereicherte Hingabe an das Wertvolle im Leben ebenso wie die Fähigkeit, Gesprächen von Tieren und Bäumen zu lauschen und die „Sprache“ der Welt hinter der „Sprache“ des Menschen verstehen und schätzen zu lernen.
Rollenspiele
Uwe Weber ließ uns am eigenen Leib erfahren, wie Theaterarbeit genutzt werden kann, um im Spiel mit Gesten, Lauten, Rollen und Vorstellungen eine neue, gelebte Sicht auf das „Altern“ zu ermöglichen. Nachdem wir uns ein wenig in Lautgebung, gestischen Zuwendungen und theatralischen Haltungen eingeübt haben, erarbeiteten wir Rollen, wie wir unsere Zukunft in 20 Jahren sehen. Wir ließen unserer Vorstellungskraft freien Lauf, die uns zeigte, welche Potenziale, Wünsche, Hoffnungen, aber auch Ängste in uns im Blick auf die Zukunft stecken. Dann versetzten wir uns in die von uns geschaffenen Rollen und erlebten dabei, dass trotz oder vielleicht gerade wegen unserer absehbaren Gebrechen und körperlichen Einschränkungen ein ganz besonderer Humor aufscheint. In Rollenspielen begegneten wir uns mit Witz und Spontaneität, aber auch mit einem melancholischen, jedoch nicht bitteren Beigeschmack der Aussicht auf ein Altern in Würde und Schönheit inmitten des Lebens, zu dem eben auch Krankheit, Vergessen und Tod gehören.
Abschließende Betrachtungen
Im den ersten Tag abschließenden Gespräch hielten wir fest, dass Altern Weltgestaltung bedeutet. Die Qualitäten unseres Daseins fordern uns heraus und bieten die Chance, den Alterungsprozess und mit diesem das Leben schlechthin in seiner ganzen Güte auszuschöpfen. Das tapfere Aushalten von wie auch immer gearteten Alterserscheinungen und der humorvolle Umgang mit altersbedingten Gebrechen erschienen uns als ein freundlicher, wenn auch eher dem Pragmatismus und dem Unausweichlichen geschuldeter Ausblick. Darüber hinaus gelangten wir zu der Erkenntnis, dass das Altern weltbildend sein kann. Wir können Nischen der Demut schaffen, Freude und Dankbarkeit in Gemeinschaft erleben und vielleicht sogar unser Lebensglück in selbst geschaffenen Räumen und Verhältnissen finden, die bis in den Tod unserer ganzen Potenzialität gerecht werden.
Ergänzung Jörg Bauer:
"Was ich noch sehe, ist das Potential ab 50 zur Abkehr vom sozialem "Wettbewerb" hinein in die Kooperation. Statt großer allgemein begehrter Ziele (Karriere, Geld, Status), um die ja oft mit anderen gekämpft werden muss, sind es die vielen kleinen unerwarteten "Geschenke", die jetzt bemerkt werden könnten. Ein Potential des Alterns liegt also auch in der Dankbarkeit für das Erhaltene statt in der Angst vor Verlust des Erwartetem. Liegt der Fokus nämlich auf der Zielerreichung des Erwarteten, bemerkt die narrative Instanz (autobiografisches Ich) die vielen kleinen Facetten nämlich gar nicht und bewertet die Realität schlicht unvollständig (siehe die Grafik mit der Darmspiegelung). Nur das "Experiental Self" (das erfahrende Ich) bemerkt den tatsächlichen status quo. Gelingendes Altern setzt also auch einen neuen Fokus - von permanent evaluierenden und abwechselnd gekränkten oder narzisstischen Ego Perspektive (Identität) zum Sein."
Sa., 11. April 2015, 10-17:15 Uhr
Zentrifuge, Nürnberg
Der erste Tag diente der Annäherung an das Thema „Perspektiven des Alterns“: Was verbinden wir mit „Altern“, was bedeutet dies für uns? Welche Perspektiven eröffnen sich im Austausch über unsere Erfahrungen, unser Wissen, unsere Hoffnungen und Ängste bezüglich „Altern“?
Den Einstieg machte Moderator Otmar Potjans mit der Fragestellung: Meine erste persönliche Begegnung mit „Altern“. Dann folgte ein Impulsvortrag von Jörg Bauer zu neuesten Kenntnissen aus der Life Span Forschung, der dann ausführlich diskutiert wurde. Am Nachmittag führte Uwe Weber in die Theaterarbeit ein – von ersten Lockerungs- und Kommunikationsübungen bis hin zu Vorstellungs- und Darstellungsübungen und dem Hervorlocken schauspielerischer Momente.
Erste persönliche Begegnungen mit „Altern“
In Zweier- und Gruppenarbeit tauschten wir uns aus über erste persönliche Erfahrungen mit „Altern“ Diese Gespräche wurden dann im Podium zusammen gefasst und diskutiert. Das Spektrum der ersten Begegnung mit „Altern“ reichte von Reifungs-Erlebnissen im Übergang von der Kindheit zur Jugend und der Erfahrung von Omnipotenz mit all ihren Illusionen über die erste Erfahrung der Einschränkung von Bewegungsspielräumen bis hin zu Gefühlen gesellschaftlichen Ausgeschlossenseins und der Erörterung von Generationenunterschieden sowie zu von „Alter“ unberührter Unbekümmertheit.
Impuls
Der Vortrag von Jörg Bauer zeigte aktuelle, wissenschaftlich gestützte Thesen auf, die ein Zusammenspiel psychischer und physischer Fähigkeiten nahe legen, das wiederum relevant ist für einen neuen Blick auf den Alterungsprozess und die damit verbundene Lebenserwartung. Intuitive Einschätzungen werden durch aktuelle Studien gestützt: Ein gesundes, gelingendes Altern wird durch Haltungen und Lebensformen gefördert, die Ego-getriebene Lebensweisen hinter sich lassen und sich stärker in soziale Zusammenhänge einfügen. Auch ändern sich die Sichtweisen auf das Leben im Laufe des Alters: Krisen werden als Chancen erkannt und die Bewertung des Lebens erfährt ab der Mitte des Lebens tiefergehende Betrachtungen verbunden mit einem reifenden Bewusstsein für die Qualitäten des (eigenen) Lebens. Ein gelingendes „Altern“ akzeptiert das Gegebene, übt sich in Gelassenheit und Humor und und würdigt das Leben in seiner umfassenden Gegenwart. Wertschätzung und Dankbarkeit selbst für kleine schöne Momente transzendieren und öffnen den eng fokussierten Erwartungshorizont der Leistungsgesellschaft hin zu einer freieren, von Konventionen befreiten Sicht auf das Leben, die vom diesem nicht mehr erwartet, als sie sich auf angemessene Weise und in aller Bescheidenheit wünschen kann. Das Alter ermöglicht den Zugang zu einem freieren, der unmittelbaren Wahrnehmung und der Sinn-Erfahrung zugewandten Lebenspraxis, die – im Falle des gelungenen Alterns - auch für junge Menschen vorbildlich sein kann. Die Sicht- und Lebensweise, die man im Alterungsprozess gewinnen bzw. sich erarbeiten kann, weist auch Wege in eine alternative Gesellschaft, die Brücken zwischen den Generationen schlägt und einen Einklang mit sich und der Mitwelt herzustellen vermag. Dazu gehören das gemeinschaftliche Aufeinanderbezogen-Sein oder die selbstbestimmte und mit Erfahrungen angereicherte Hingabe an das Wertvolle im Leben ebenso wie die Fähigkeit, Gesprächen von Tieren und Bäumen zu lauschen und die „Sprache“ der Welt hinter der „Sprache“ des Menschen verstehen und schätzen zu lernen.
Rollenspiele
Uwe Weber ließ uns am eigenen Leib erfahren, wie Theaterarbeit genutzt werden kann, um im Spiel mit Gesten, Lauten, Rollen und Vorstellungen eine neue, gelebte Sicht auf das „Altern“ zu ermöglichen. Nachdem wir uns ein wenig in Lautgebung, gestischen Zuwendungen und theatralischen Haltungen eingeübt haben, erarbeiteten wir Rollen, wie wir unsere Zukunft in 20 Jahren sehen. Wir ließen unserer Vorstellungskraft freien Lauf, die uns zeigte, welche Potenziale, Wünsche, Hoffnungen, aber auch Ängste in uns im Blick auf die Zukunft stecken. Dann versetzten wir uns in die von uns geschaffenen Rollen und erlebten dabei, dass trotz oder vielleicht gerade wegen unserer absehbaren Gebrechen und körperlichen Einschränkungen ein ganz besonderer Humor aufscheint. In Rollenspielen begegneten wir uns mit Witz und Spontaneität, aber auch mit einem melancholischen, jedoch nicht bitteren Beigeschmack der Aussicht auf ein Altern in Würde und Schönheit inmitten des Lebens, zu dem eben auch Krankheit, Vergessen und Tod gehören.
Abschließende Betrachtungen
Im den ersten Tag abschließenden Gespräch hielten wir fest, dass Altern Weltgestaltung bedeutet. Die Qualitäten unseres Daseins fordern uns heraus und bieten die Chance, den Alterungsprozess und mit diesem das Leben schlechthin in seiner ganzen Güte auszuschöpfen. Das tapfere Aushalten von wie auch immer gearteten Alterserscheinungen und der humorvolle Umgang mit altersbedingten Gebrechen erschienen uns als ein freundlicher, wenn auch eher dem Pragmatismus und dem Unausweichlichen geschuldeter Ausblick. Darüber hinaus gelangten wir zu der Erkenntnis, dass das Altern weltbildend sein kann. Wir können Nischen der Demut schaffen, Freude und Dankbarkeit in Gemeinschaft erleben und vielleicht sogar unser Lebensglück in selbst geschaffenen Räumen und Verhältnissen finden, die bis in den Tod unserer ganzen Potenzialität gerecht werden.
Ergänzung Jörg Bauer:
"Was ich noch sehe, ist das Potential ab 50 zur Abkehr vom sozialem "Wettbewerb" hinein in die Kooperation. Statt großer allgemein begehrter Ziele (Karriere, Geld, Status), um die ja oft mit anderen gekämpft werden muss, sind es die vielen kleinen unerwarteten "Geschenke", die jetzt bemerkt werden könnten. Ein Potential des Alterns liegt also auch in der Dankbarkeit für das Erhaltene statt in der Angst vor Verlust des Erwartetem. Liegt der Fokus nämlich auf der Zielerreichung des Erwarteten, bemerkt die narrative Instanz (autobiografisches Ich) die vielen kleinen Facetten nämlich gar nicht und bewertet die Realität schlicht unvollständig (siehe die Grafik mit der Darmspiegelung). Nur das "Experiental Self" (das erfahrende Ich) bemerkt den tatsächlichen status quo. Gelingendes Altern setzt also auch einen neuen Fokus - von permanent evaluierenden und abwechselnd gekränkten oder narzisstischen Ego Perspektive (Identität) zum Sein."